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Body Cams: Kameras an Polizeiuniformen

erschienen in der Kategorie Alltag, am 29.11.2015
Schnatterente
In den USA ist es seit einigen Jahren in vielen Countys so üblich, dass Polizisten kleine Kameras an ihren Uniformen tragen. Eingeführt hat man das, weil es immer wieder vorkommt, dass unbescholtene Bürger Opfer von Polizeigewalt werden. In Rialto (Kalifornien) haben die "Body-Cams" dazu beigetragen, dass es 60 Prozent weniger Gewaltdelikte gibt.

So langsam erreicht der Trend nun auch Deutschland. In Hessen testet die Polizei die kleinen Kameras schon seit 2013. Rheinland-Pfalz und Hamburg sind seit diesem Jahr dabei, im nächsten Jahr soll es in Bayern losgehen.

Body-Cam auf der Schulter eines Polizisten (Bildquelle: Heise) Hierzulande sind die Beweggründe aber andere als in den USA. Es steht nicht der Schutz der Bürger, sondern der Selbstschutz der Polizisten im Mittelpunkt der Argumentation. So gibt die Polizei an, es würde seit Jahren immer mehr Übergriffe gegen Beamte geben. Die Kameras sollen dabei helfen diese Delikte aufzuklären und die Bürger zudem schon durch ihre bloße Anwesenheit davon abhalten, handgreiflich zu werden.

Die Einführung dieser Technik wirft viele Fragen auf. Zum einen steht da die übliche Sorge um die staatliche Überwachung im Raum. Die Vorratsdatenspeicherung ist wieder da und es gibt zunehmend mehr Überwachungskameras im öffentlichen Raum. Mobile Kameras auf den Schultern von Polizisten sind ein weiterer Eingriff in die Privatsphäre der Bevölkerung. Wenn man betrachtet, wie viel diese ganzen technischen Maßnahmen kosten, die letzten Endes keine Verbrechen verhindern, sondern (wenn überhaupt) nur zusätzliches Beweismaterial liefern können, so zwängt sich unweigerlich die Frage auf, wie viele zusätzliche Polizeibeamte man von dem Geld hätte einstellen können, die dann wirklich in der Lage gewesen wären, aktiv gegen Kriminalität vorzugehen.
In den letzten Jahren wurden bei der Polizei deutschlandweit unzählige Stellen abgebaut. Für technische Überwachungsmaßnahmen gibt der Staat aber zig Millionen Euro aus. An der Sinnhaftigkeit dieses Handelns zweifeln viele.

Ein anderer Punkt ist, dass die Anwesenheit der Kameras dafür sorgt, dass sich Menschen in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen. Wer weiß, dass er gefilmt wird, verhält sich anders. Die Präsenz von Polizisten mit Kameras an öffentlichen Plätzen kann dazu beitragen, dass sich die Menschen nicht sicherer, sondern vor allem überwacht und kontrolliert fühlen.
Auch beim direkten Kontakt mit Polizisten können die Kameras als störend empfunden werden. Wer sich in einer Notsituation an einen Polizeibeamten wendet, bringt diesem ein gewisses Vertrauen entgegen. Diese Vertrauensbasis ist gefährdet, wenn man weiß, dass man gefilmt wird und dass das Videomaterial später von irgendwelchen anderen Leuten gesehen und ausgewertet werden kann.

Die technische Umsetzung des Systems ist ebenfalls fragwürdig. So kann jeder Polizist selbst steuern, ob die Schulterkamera etwas aufzeichnet oder nicht. Die Daten werden laut offiziellen Angaben auf einer besonders geschützten SD-Karte mit 8 GB Speicher abgelegt. Das Löschen von Aufzeichnungen ist angeblich nur der polizeieigenen IT-Abteilung möglich, der Träger der Kamera ist dazu nicht befugt.
Letzteres ist löblich, doch wer hindert den Polizisten daran die Kamera einfach abzuschalten, wenn er selbst über die Stränge schlägt? Und wenn wirklich nur die IT-Abteilung Daten löschen kann, heißt das, dass diese das jedes Mal machen muss, wenn die Speicherkarte voll ist? Also im Zweifelsfall jeden Tag? Das wäre doch bei einem flächendeckenden Einsatz der Technik kaum handhabbar.

Man sollte der Polizei natürlich nicht pauschal misstrauen oder Polizeibeamten unterstellen, dass sie gezielt Beweise zurückhalten oder vernichten wollen. Die meisten von ihnen machen ihren Job gut und gewissenhaft. Dabei steht außer Frage, dass sie ihn in Anbetracht der Risiken, die dieser Beruf mit sich bringt, auch möglichst sicher und gut ausgerüstet sein sollten.

Aber Polizisten sind auch nur Menschen. Und Menschen machen nun einmal Fehler und manchmal sogar Dummheiten. Wenn einzelne Polizeibeamte durch ihre Handlungen im Dienst selbst zu Kriminellen werden, dann handeln sie eben so, wie auch andere Kriminelle handeln würden. Sie versuchen ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Und so kam es in den letzten Jahren immer mal wieder vor, dass vor Gericht plötzlich polizeiliche Videoaufnahmen nicht mehr vorhanden waren oder dass sich herausstellte, dass Polizisten Falschaussagen gemacht hatten, teils auch um sich gegenseitig zu decken.
Wenn man also wirklich in Erwägung zieht, diese Body-Cam-Lösung flächendeckend einzusetzen, so sollte gewährleistet sein, dass das System im Zweifelsfall beide Seiten voreinander schützt, Polizeibeamte und Bürger.

Generell sei aber die Frage in den Raum gestellt, ob die Body-Cams nicht eher für mehr Misstrauen sorgen, als dass sie einen Nutzen bringen.

Geschnatter

1 Kommentar, selbst mitschnattern << < Seite 1/1 > >>
Heinz, am 03.12.2015 um 11:03 Uhr
"Und wenn wirklich nur die IT-Abteilung Daten löschen kann, heißt das, dass diese das jedes Mal machen muss, wenn die Speicherkarte voll ist?"

Vielleicht geht das so wie bei einigen Diktiergeräten der Polizei.
Da können die Polizisten die Geräte zum Hochladen auf den Server an ihren Computer anschließen und anschließend werden die Dateien von der Speicherkarte gelöscht, aber vom Server können sie die Dateien nicht löschen.