Sprachassistenten vs. Datenschutz: Alexa, Google, Siri und Co
erschienen in der Kategorie Technik, am 06.01.2019

Letztens betrat ich die Wohnung eines Arbeitskollegen, und nachdem er mir einen Kaffee offeriert hatte, bat er eine augenscheinlich nicht anwesende Person namens "Alexa" darum, Musik abzuspielen.
Binnen Sekunden erklang ein Lied von Rammstein und es stellte sich heraus, dass mein Kollege scheinbar nicht an einer psychischen Störung litt, sondern sich tatsächlich einen "Echo Dot" in die eigene Wohnung geholt hatte. Ich überlegte kurz, ob ich jetzt eine Diskussion zum Thema Datenschutz anfangen und ihn darum bitten sollte, das Gerät abzuschalten, solange ich in der Wohnung sei, verkniff mir dann aber beides, um der guten Stimmung willen.
Mit Menschen, insbesondere solchen, die man nicht so richtig gut kennt, kritisch über Dinge zu diskutieren, für die sie sich bereits entschieden haben, ist immer eine schwierige Angelegenheit, da dann oft auch sachliche Argumente als persönlicher Angriff verbucht werden, weil sie ja dem eigenen Werteprofil entgegenstehen – es sei denn, man hat es mit einem sehr aufgeschlossenen und selbstreflektierten Gegenüber zu tun, aber dies ist nur seltenst der Fall.
Meist folge ich daher lieber der Divise "Leben und leben lassen". Ich erkläre auch keinem Windows-Nutzer mehr, warum er das falsche Betriebssystem benutzt – vielleicht ist es für ihn ja das richtige System und letzten Endes darf und soll doch jeder mit dem glücklich werden, was er für richtig hält.
Was die Sprachassistenten angeht, tue ich mich mit diesem Weg allerdings enorm schwer, wie mir die besagte Situation gezeigt hat. Die (überspitzt formuliert) freiwillig in der eigenen Wohnung installierten Wanzen überwachen ja nicht nur deren Besitzer – wobei hier noch die Frage zu klären ist, wer hier wen besitzt, der Nutzer das Gerät oder dessen Hersteller die digitale Persönlichkeit des Nutzers –, sondern sie lauschen auch meinen Worten, wenn ich mich in deren Nähe aufhalte. Dagegen kann ich mich kaum wehren – obwohl ich mich selbst ganz bewusst gegen die Anschaffung eines Sprachassistenten entschieden habe.
Mancher begeisterte Anwender wird mir nun darlegen wollen, dass die Geräte ja nur Ton aufzeichnen, wenn man das passende Schlüsselwort gesagt hat und auch nur dann Daten an den Hersteller übertragen werden. Doch seien wir mal ehrlich, hat die Menschheit denn jemals eine Missetat ausgelassen – und sei sie noch so dumm –, wenn sich aus ihr Profit schlagen ließ? Ich sag nur Hambacher Forst.
Ich würde nicht so weit gehen, einem konkreten Hersteller vorzuwerfen, dass er seine Nutzer in diesem Punkt betrügt, doch irgendeiner macht es bestimmt. Und die meisten Hersteller solcher Geräte kommen ja aus einem Land, in dem es die Gesetze Geheimdiensten (spätestens seit 9/11) erlauben, Hard- und Softwarehersteller samt Maulkorb zu derartigen Aktionen zu verpflichten.
Wer mir jetzt erzählen will, dass er mit Netzwerksniffern wie Wireshark beweisen kann, dass die Datenübertragung wirklich nur erfolgt, wenn es der Nutzer wünscht, dem kann ich nur als Antwort geben, dass die Entwickler dieser Geräte sicherlich auch keine totalen Vollidioten sind. Niemand würde die Überwachung so implementieren, dass sie leicht nachzuweisen ist und wer sich einmal angesehen hat, wie gut YouTubes "Transkript"-Funktion Sprache in Text übersetzen kann, dem dürfte auch schnell klar werden, dass es keines Hexenwerks bedarf, eine solche Technologie auch in Sprachassistenten zu implementieren und die erfassten Texte dann später komprimiert zu übertragen, wenn der Nutzer das nächste Mal mit dem Gerät interagiert. Da kommt man dann auch mit ein paar unauffälligen Kilobyte aus und braucht keinen dicken Audiostream. Nur mal so als kleine Verschwörungstheorie. ;-)
Wie reagiert man nun aber auf die Entwicklung, dass Sprachassistenten ohne größere Debatte so normal werden, wie es WhatsApp inzwischen geworden ist? Wird der Datenschutz auch diesen Kampf verlieren?
Man kann argumentieren, dass man dieser Entwicklung ohnehin nicht mehr aus dem Weg gehen kann, da die Sprachassistenten ja auch in unzähligen mobilen Endgeräten wie Smartphones und Laptops aktiv sind, mit denen man im Alltag ständig umgeben ist. Für den Datenschützer in mir fühlt sich dieser Umstand ja ohnehin schon so an, als wären wir längst in der Dystopie angekommen – jeden Tag ein bisschen mehr in Orwells 1984.
Dies außen vor gelassen, ist es aber dennoch eine neue Qualität des Problems, wenn man nun auch in Privatwohnungen, in denen es doch normal sein sollte, sich über Privates auszutauschen, davon ausgehen muss, dass alles Gesagte, in welcher Form auch immer, digital verarbeitet wird.
Menschen verhalten sich anders, wenn sie wissen oder glauben, dass sie überwacht werden und wenn dieser Zustand nicht mehr nur an öffentlichen Plätzen mittels Videoüberwachung samt Gesichtserkennung herbeigeführt wird, sondern auch in Wohnungen, dann steuert man auf viele ernste Probleme zu, die teils auch an die Stasi-Praktiken in der DDR erinnern.
Würden wir die Datenschutzgrundverordnung ernst nehmen, müssten sich alle Benutzer von Sprachassistenten wohl erst einmal eine schriftliche Einwilligung einholen, bevor sie die Geräte im Beisein Dritter betreiben. Doch letzten Endes interessiert sie das genau so wenig, wie der Umstand, dass einige Kontakte in ihrem Adressbuch wohl nicht damit einverstanden wären, dass WhatsApp deren Telefonnummern an Facebook übermittelt.
Ich frage mich langsam, wohin diese Reise gehen soll. Beim 35C3 wurde wieder in zahlreichen Vorträgen (zum Beispiel dem hier) dargestellt, wie unfassbar viele Daten manche Konzerne, auch mittels Smart-Home-Geräten, über uns sammeln und wie unsicher viele der verkauften IoT-Spielereien sind. Willkommen in einer Welt, in der der Hersteller deiner Glühbirne weiß, wo du wohnst.
Ich verbleibe an diesem Punkt ratlos. Ist es die Aufgabe von uns ITlern und Nerds, den Rest der Menschheit über Probleme aufzuklären, für die sich die Leute eigentlich gar nicht interessieren und die sie aufgrund ihrer Komplexität wohl auch oftmals nicht verstehen?
Sich kritische Gedanken über die Sinnhaftigkeit des eigenen Handelns zu machen ist so viel anstrengender, als einfach wild drauf los zu hämmern, wenn einem jemand einen schicken bunten Hammer in die Hand legt. Wie bringt man die Menschen dazu, es trotzdem zu machen?
Und warum habe ich das Gefühl, dass die (teils auch ohne Cloudanbindung nutzbaren) Open Source Alternativen (z.B. Snips, Jasper, MyCroft) noch so weit davon entfernt sind, zu ernsthaften Alternativen für den durchschnittlichen Verbraucher zu werden … ?
Fragen über Fragen.
Computer, schalt das Licht aus.
Binnen Sekunden erklang ein Lied von Rammstein und es stellte sich heraus, dass mein Kollege scheinbar nicht an einer psychischen Störung litt, sondern sich tatsächlich einen "Echo Dot" in die eigene Wohnung geholt hatte. Ich überlegte kurz, ob ich jetzt eine Diskussion zum Thema Datenschutz anfangen und ihn darum bitten sollte, das Gerät abzuschalten, solange ich in der Wohnung sei, verkniff mir dann aber beides, um der guten Stimmung willen.
Mit Menschen, insbesondere solchen, die man nicht so richtig gut kennt, kritisch über Dinge zu diskutieren, für die sie sich bereits entschieden haben, ist immer eine schwierige Angelegenheit, da dann oft auch sachliche Argumente als persönlicher Angriff verbucht werden, weil sie ja dem eigenen Werteprofil entgegenstehen – es sei denn, man hat es mit einem sehr aufgeschlossenen und selbstreflektierten Gegenüber zu tun, aber dies ist nur seltenst der Fall.
Meist folge ich daher lieber der Divise "Leben und leben lassen". Ich erkläre auch keinem Windows-Nutzer mehr, warum er das falsche Betriebssystem benutzt – vielleicht ist es für ihn ja das richtige System und letzten Endes darf und soll doch jeder mit dem glücklich werden, was er für richtig hält.
Was die Sprachassistenten angeht, tue ich mich mit diesem Weg allerdings enorm schwer, wie mir die besagte Situation gezeigt hat. Die (überspitzt formuliert) freiwillig in der eigenen Wohnung installierten Wanzen überwachen ja nicht nur deren Besitzer – wobei hier noch die Frage zu klären ist, wer hier wen besitzt, der Nutzer das Gerät oder dessen Hersteller die digitale Persönlichkeit des Nutzers –, sondern sie lauschen auch meinen Worten, wenn ich mich in deren Nähe aufhalte. Dagegen kann ich mich kaum wehren – obwohl ich mich selbst ganz bewusst gegen die Anschaffung eines Sprachassistenten entschieden habe.
Mancher begeisterte Anwender wird mir nun darlegen wollen, dass die Geräte ja nur Ton aufzeichnen, wenn man das passende Schlüsselwort gesagt hat und auch nur dann Daten an den Hersteller übertragen werden. Doch seien wir mal ehrlich, hat die Menschheit denn jemals eine Missetat ausgelassen – und sei sie noch so dumm –, wenn sich aus ihr Profit schlagen ließ? Ich sag nur Hambacher Forst.
Ich würde nicht so weit gehen, einem konkreten Hersteller vorzuwerfen, dass er seine Nutzer in diesem Punkt betrügt, doch irgendeiner macht es bestimmt. Und die meisten Hersteller solcher Geräte kommen ja aus einem Land, in dem es die Gesetze Geheimdiensten (spätestens seit 9/11) erlauben, Hard- und Softwarehersteller samt Maulkorb zu derartigen Aktionen zu verpflichten.
Wer mir jetzt erzählen will, dass er mit Netzwerksniffern wie Wireshark beweisen kann, dass die Datenübertragung wirklich nur erfolgt, wenn es der Nutzer wünscht, dem kann ich nur als Antwort geben, dass die Entwickler dieser Geräte sicherlich auch keine totalen Vollidioten sind. Niemand würde die Überwachung so implementieren, dass sie leicht nachzuweisen ist und wer sich einmal angesehen hat, wie gut YouTubes "Transkript"-Funktion Sprache in Text übersetzen kann, dem dürfte auch schnell klar werden, dass es keines Hexenwerks bedarf, eine solche Technologie auch in Sprachassistenten zu implementieren und die erfassten Texte dann später komprimiert zu übertragen, wenn der Nutzer das nächste Mal mit dem Gerät interagiert. Da kommt man dann auch mit ein paar unauffälligen Kilobyte aus und braucht keinen dicken Audiostream. Nur mal so als kleine Verschwörungstheorie. ;-)
Wie reagiert man nun aber auf die Entwicklung, dass Sprachassistenten ohne größere Debatte so normal werden, wie es WhatsApp inzwischen geworden ist? Wird der Datenschutz auch diesen Kampf verlieren?
Man kann argumentieren, dass man dieser Entwicklung ohnehin nicht mehr aus dem Weg gehen kann, da die Sprachassistenten ja auch in unzähligen mobilen Endgeräten wie Smartphones und Laptops aktiv sind, mit denen man im Alltag ständig umgeben ist. Für den Datenschützer in mir fühlt sich dieser Umstand ja ohnehin schon so an, als wären wir längst in der Dystopie angekommen – jeden Tag ein bisschen mehr in Orwells 1984.
Dies außen vor gelassen, ist es aber dennoch eine neue Qualität des Problems, wenn man nun auch in Privatwohnungen, in denen es doch normal sein sollte, sich über Privates auszutauschen, davon ausgehen muss, dass alles Gesagte, in welcher Form auch immer, digital verarbeitet wird.
Menschen verhalten sich anders, wenn sie wissen oder glauben, dass sie überwacht werden und wenn dieser Zustand nicht mehr nur an öffentlichen Plätzen mittels Videoüberwachung samt Gesichtserkennung herbeigeführt wird, sondern auch in Wohnungen, dann steuert man auf viele ernste Probleme zu, die teils auch an die Stasi-Praktiken in der DDR erinnern.
Würden wir die Datenschutzgrundverordnung ernst nehmen, müssten sich alle Benutzer von Sprachassistenten wohl erst einmal eine schriftliche Einwilligung einholen, bevor sie die Geräte im Beisein Dritter betreiben. Doch letzten Endes interessiert sie das genau so wenig, wie der Umstand, dass einige Kontakte in ihrem Adressbuch wohl nicht damit einverstanden wären, dass WhatsApp deren Telefonnummern an Facebook übermittelt.
Ich frage mich langsam, wohin diese Reise gehen soll. Beim 35C3 wurde wieder in zahlreichen Vorträgen (zum Beispiel dem hier) dargestellt, wie unfassbar viele Daten manche Konzerne, auch mittels Smart-Home-Geräten, über uns sammeln und wie unsicher viele der verkauften IoT-Spielereien sind. Willkommen in einer Welt, in der der Hersteller deiner Glühbirne weiß, wo du wohnst.
Ich verbleibe an diesem Punkt ratlos. Ist es die Aufgabe von uns ITlern und Nerds, den Rest der Menschheit über Probleme aufzuklären, für die sich die Leute eigentlich gar nicht interessieren und die sie aufgrund ihrer Komplexität wohl auch oftmals nicht verstehen?
Sich kritische Gedanken über die Sinnhaftigkeit des eigenen Handelns zu machen ist so viel anstrengender, als einfach wild drauf los zu hämmern, wenn einem jemand einen schicken bunten Hammer in die Hand legt. Wie bringt man die Menschen dazu, es trotzdem zu machen?
Und warum habe ich das Gefühl, dass die (teils auch ohne Cloudanbindung nutzbaren) Open Source Alternativen (z.B. Snips, Jasper, MyCroft) noch so weit davon entfernt sind, zu ernsthaften Alternativen für den durchschnittlichen Verbraucher zu werden … ?
Fragen über Fragen.
Computer, schalt das Licht aus.
Geschnatter
4 Kommentare, selbst mitschnattern
Tom, am 06.01.2019 um 22:29 Uhr
Schöner Beitrag, spricht mir aus der Seele. Hatten letztens auf Arbeit eine längere Diskussion, ob man Leuten, die einen Sprachassi daheim haben, das Recht auf Home-Office entziehen sollte, da da ja auch viel telefoniert wird, etc.
Anonym, am 06.01.2019 um 22:42 Uhr
Bin in Sachen WhatsApp mal gespannt, wie die Leute drauf reagieren, dass da jetzt Werbung in die App kommt ...
vielleicht fängt man dann an zu verstehen, dass man selbst das Produkt ist und nicht die App.
vielleicht fängt man dann an zu verstehen, dass man selbst das Produkt ist und nicht die App.
Thoys, am 07.01.2019 um 22:05 Uhr
Hi, das "Problem" kenn ich.
Meine Erfahrung und auch jegliche Kommunikationstheorie besagt, dass du am besten immer bei dir bleibst. Also nicht bei dir in der Wohnung, sondern argumentativ.
Du musst nicht argumentieren, warum Alexa doof ist. Du darfst aber immer sagen "Ich möchte nicht von Alexa aufgenommen werden". Entweder ihr geht dann woanders hin oder er schaltet es ab.
Soweit die Theorie :-)
Meine Erfahrung und auch jegliche Kommunikationstheorie besagt, dass du am besten immer bei dir bleibst. Also nicht bei dir in der Wohnung, sondern argumentativ.
Du musst nicht argumentieren, warum Alexa doof ist. Du darfst aber immer sagen "Ich möchte nicht von Alexa aufgenommen werden". Entweder ihr geht dann woanders hin oder er schaltet es ab.
Soweit die Theorie :-)
M.L., am 12.01.2019 um 12:06 Uhr
Zur Not einfach auf Blindensprache wechseln. Ach mist, ich glaube die neueren Modelle haben Kameras?
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