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Der Ärger mit dem Netzausbau

erschienen in der Kategorie Technik, am 27.08.2015
Schnatterente
Ich habe das Glück, in einer Region zu wohnen, in der es ohne größere Schwierigkeiten möglich war, eine 50.000er-VDSL-Leitung zu bekommen. Laut meinem Router wären mit der Leitung sogar 85 MBit/s Downstream und 22 MBit/s Upload möglich (wenn ich bereit wäre für 100 MBit/s zu bezahlen). Ich vergesse viel zu oft, was für ein Luxus das ist.

Man gewöhnt sich sehr schnell an eine flotte Internetverbindung. Das geht sogar so weit, dass man sich manchmal ärgert, wenn ein Download mit drei oder vier Megabyte pro Sekunde "vor sich hindümpelt". In solchen Momenten ist es wohl ratsam, mal einen Moment lang inne zu halten und an die vielen kleinen Dörfer und städtischen Randbereiche in Deutschland zu denken, in denen man sich, wenn überhaupt, mit einer 2.000er-ADSL-Leitung zufrieden geben muss.

Vielen, die mit diesem Schicksal leben, haben die namhaften Provider schon vor zehn Jahren versprochen, dass der große Netzausbau kommt. Doch passiert ist viel zu wenig.
Klar, hier und da wurden LTE-fähige Mobilfunkmasten aufgestellt. Doch das ist auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Funklösungen haben halt gegenüber einer ordentlichen Verkabelung immer Nachteile. Und solange die Mobilfunknetz-Provider ohnehin nur Pseudo-Flatrates anbieten, die nach einigen Gigabyte Traffic auf ISDN-Tempo gedrosselt werden, stellen UMTS und LTE keine wirkliche Alternative zur kabelgebundenen Internetleitung dar.

Das alles ist für Privatpersonen schon sehr ärgerlich. Firmen kann dadurch aber sogar ein wirtschaftlicher Schaden entstehen.
Kürzlich hatte ich mit einer kleinen IT-Firma zu tun, die ihren Standort gewechselt hat. Das Unternehmen verdient sein Geld unter anderem mit Fernwartungsverträgen und Servermanagement. Aus diesem Grund brauchen sie eine vernünftige Internetleitung und haben vorm Umzug beim marktführenden Anbieter gefragt, ob an der neuen Anschrift ein VDSL-Anschluss möglich ist. Dies wurde natürlich bestätigt.

Dann folgte der Umzug und ich denke, ihr ahnt schon alle, wie die Geschichte weiter geht?
Genau, am Ende waren sie in das Büro eingezogen und hatten eine schöne asymmetrische DSL-Leitung mit 6.016 kbit/s Down- und 384 kbit/s Upload bekommen. Wie sich herausgestellt hatte, endete das mit VDSL versorgbare Gebiet circa 70 Meter vor der eigenen Haustür.
Da die Firma insbesondere mit dem geringen Upload nicht viel anfangen konnte, begann man Internetprovider zu vergleichen, um die rettende Alternative zu finden.

Dabei lagen die verschiedensten Angebote auf dem Tisch. Die einzige wirkliche Option darunter war ein Kabelanbieter, der zwar vor Ort keine Leitung liegen hatte, aber empfahl man könne sich doch an die hauseigene Bauherren-Beratung wenden. Am Telefon wurde in Aussicht gestellt, es könne eine Leitung gelegt werden, wenn man sich an den Kosten dafür beteilige. Bis zu 200 Megabit pro Sekunde sollten drin sein. Also stellte der Vermieter einen Bauherrenantrag.
Nachdem sich zwei Wochen lang nichts tat, wurde auf Nachfrage am Telefon erklärt, man habe den Fall geprüft und in der Region wäre kein Netzausbau vorgesehen, daher würde der Antrag abgelehnt. Das wurde dann eine Woche später auch noch schriftlich übermittelt.

Heute, circa zwei Monate später, lautet der aktuelle Stand in diesem Fall wie folgt:
Man hat einen Spezialanbieter gefunden, der bereit war, die drei am Gebäude vorhandenen DSL-Adernpaare zu bündeln und SDSL darauf zu schalten. Die synchrone DSL-Leitung bringt eine schwankende Bandbreite von zwölf bis 15 MBit/s.
Dieser Zustand kostet die Firma derzeit über 400 Euro jeden Monat. Zum Vergleich: den VDSL-Anschluss mit 50 MBit/s hätte es, wenn er wirklich verfügbar gewesen wäre, für unter 50 Euro monatlich gegeben.
Da die Bandbreite für die Zwecke der Firma auf Dauer zu dünn ist, sucht man nun schon wieder nach einem Standort (vielleicht 71 Meter weiter die Straße runter?) und plant den nächsten Umzug.

In Anbetracht solcher Geschichten muss man sich schon mal der Frage hingeben, wie fair das ist. Da bezahlt jemand für eine schlechtere Leitung ein Vielfaches an Geld. Und passiert ist das eigentlich auch nur, weil mal wieder ein Provider die eigene Technik nicht im Griff hatte und die linke Hand nicht wusste, was die rechte tat.

Für ein "Hochtechnologieland" wie Deutschland kann das doch kein akzeptabler Zustand sein. Wir sind beim Umstieg auf IPv6 recht gut mit dabei, aber was die Versorgung mit Breitband-Internet angeht, belegen wir im weltweiten Ranking gerade mal Platz 26 – weit abgeschlagen hinter Irland, Schweden, den Niederlanden und der Schweiz (Quelle: Akamai).

Man kann nur hoffen, dass sich da in den nächsten Jahren wirklich etwas tut. Man hat ja nie damit aufgehört, es zu versprechen ...

Dieser Artikel ist allen gewidmet, die meine Webseite mit einer
DSL 2.000- oder einer noch langsameren Internetverbindung aufrufen. Haltet durch!

Geschnatter

13 Kommentare, selbst mitschnattern << < Seite 1/2 > >>
LeWumpy, am 27.08.2015 um 11:49 Uhr
Tja, genau die gleichen Gedanken gingen mir die Tage auch durch den Kopf. Ich wohne in einer mittelgroßen Stadt (ca. 250.000 Einwohner) relativ innenstadtnah, also nicht im Randbereich.

Bisher hatte ich eine 6000-DSL-Leitung (mehr war an meiner Adresse nicht verfügbar). Letzte Woche gab es eine DSL-Störung. Als sie es nach 5 Tagen endlich geschafft hatten, mich wieder ans Netz zu bringen, wurde mir mitgeteilt, dass sie mir aufgrund zu vieler Neukunden nur noch 1000 kbit/s anbieten können.

Meine Reaktion kannst du dir denken: wir leben im Jahr 2015, Musikstreaming und IPTV sind mittlerweile kein Neuland mehr. Mit der Leitung aber nicht möglich. Ich habe mich in tiefste Modem-Zeiten zurückkatapultiert gefühlt, als ich das erste mal mir ein Video anschauen wollte.

Und der Rabatt aufgrund der schlechteren Geschwindigkeit, der mir angeboten wurde, belief sich auf mtl. 2 €. Kein Witz!

Sorry, dass ich meinen Frust hier so ablasse, aber so ist es halt einfach: frustrierend!
Anonym, am 27.08.2015 um 12:08 Uhr
Mein Beileid, LeWumpy. Da hast du ja noch einen Sonderfall: Netzrückbau statt Netzausbau.

Aber du hast in so einer Situation sicher ein Sonderkündigungsrecht. Vielleicht kannst du auf einen Kabelanbieter wechseln?
Anonym, am 27.08.2015 um 12:35 Uhr
Ich wohne auf dem Land. Da gibt's von der Telekom nur DSL 2000 oder LTE. LTE hat aber eine Volumenbegrenzung und wenn man die überschreitet, wird man auf langsamer als DSL 2000 gedrosselt. Andere Anbieter bieten auch nichts besseres; Kabel ist nicht verfügbar.
LeWumpy, am 27.08.2015 um 12:52 Uhr
Tja, ganz so einfach ist es bis jetzt nicht. Kabel hätte ich sofort genommen, gibt es aber leider nicht.

Der Anbieter (1&1, kann man ja ruhig mal sagen ;) ) hat bis jetzt eine Sonderkündigung abgelehnt. Diese würde er erst akzeptieren, wenn die Geschwindigkeit unter 768 kbit/s fallen würde.

Das Problem ist ja: Selbst, wenn die Kündigung irgendwann durchgehen würde. Was wäre die Alternative? Alle anderen Anbieter sitzen ja theoretisch vor dem selben Problem, wenn die letzte Meile angeblich nur 1000 kbit/s hergibt.
LeWumpy, am 27.08.2015 um 12:58 Uhr
Merke gerade, dass ich die ganze Zeit falschen Zahlen bzw. Einheiten verwende. Ich meinte natürlich, dass ich eine 6-MBit-Leitung hatte, die auf 1 MBit gedrosselt wurde. Und die Grenze für Sonderkündigung ist somit 768 kBit. Sorry
Antwort: Ich hab das oben mal korrigiert. :)
Manu, am 27.08.2015 um 13:07 Uhr
LeWumpy, es könnte sein, dass du bei der Telekom mehr Bandbreite bekommen würdest. Je nachdem, wann und von wem die letzte Meile gebaut wurde, darf die Telekom leider solche Spielchen machen, dass sie einem Drittanbieter z.B. nur DSL 2.000 schaltet, während es für die eigenen Kunden DSL 6.000 gibt.

Die Telekom ist zwar teuer, aber manchmal bleibt einem nichts anderes übrig. Du kannst ja mal anrufen und fragen.
Mirco, am 27.08.2015 um 13:31 Uhr
Das grundsätzliche Problem ist doch eigentlich, dass immer wieder Versprechungen gemacht werden, die nicht eingehalten werden (können).

Ob es in einem Gebiet nun 6MBit oder 50MBit hat - ich denke, damit können sich die Anwohner abfinden (ich selbst bin mit meinem 6MBit-Anschluss zufrieden; auch Streaming ist damit kein Problem). Wirklich ärgerlich ist, was dieser Firma passiert ist und was ich schon sehr oft mitbekommen hatte: Man informiert sich extra im Vornherein über die verfügbare Geschwindigkeit, bekommt den Himmel auf Erden versprochen und sitzt nachher entweder so ganz ohne Internet oder mit einer Leitungskapazität da, die nur einen Bruchteil der Geschwindigkeit bietet.
O-Ton des Anbieters ist dann immer ein "Pech gehabt".
Bei mir war die Telekom schon kurz davor, auf meine Kosten die Straße aufzubuddeln, weil sie zu doof waren, das andere Ende meines vorhandenen Anschlusses im Verteilerkasten zu finden.

HIER sollte der Verbraucherschutz vielleicht mal ansetzen. Wenn eine Geschwindigkeit zugesagt wird, dann muss diese auch zur Verfügung gestellt werden (notfalls Straße aufreißen).
Vielleicht werden die Anbieter dann etwas vorsichtiger mit ihren (ab und an) leeren Versprechungen oder prüfen die Sachlage wirklich, bevor sie ihr "ja, kein Problem" rausschicken.