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Telekom Anekdote: Netzneutralität ist Auslegungssache

erschienen in der Kategorie Alltag, am 12.06.2013
Schnatterente
Nochmal zu dem leidigen Themenkomplex Telekom, DSL-Drosselung und Netzneutralität: Ich habe ein recht zynisches Video gefunden, das ich euch nicht vorenthalten will. Außerdem habe ich noch eine Anekdote für euch, die zeigt, wie sich die Telekom manchen Kunden als DSL-Provider aufzwingt.

Dieses Video von Netzneutralitaet.cc wirft der Telekom vor, mit ihren Maßnahmen dafür zu sorgen, dass es über kurz oder lang nur noch große, monopolistische Unternehmen schaffen werden, deutsche Internetnutzer zu erreichen.



Eine gruselige Vorstellung.

Provider-Zwang

Da ich gerade schon dabei bin, etwas über die Telekom zu schreiben, will ich noch kurz eine Geschichte loswerden, die sich vor wenigen Wochen ereignet hat. Ich erinnere mich daran, ein Interview mit einem Telekom-Pressesprecher gesehen zu haben, der im Zuge der Netzneutralitäts-Debatte behauptet hat, dass überall dort, wo die Telekom Leitungen liegen hat, auch jeder andere Anbieter genutzt werden kann, da die Leitungen ja weitervermietet werden. Somit gäbe es überall die Möglichkeit auch einen anderen Anbieter zu nutzen.

Ein paar Tage später wollte ich meinem Freund Matthias dabei helfen, einen neuen DSL-Anschluss zu ordern. Er ist gerade dabei eine neu sanierte Wohnung zu beziehen, die sich in einer Siedlung am Rande einer Großstadt befindet. An seiner neuen Adresse liegt eine DSL-Leitung der Telekom an, andere Anbieter (Kabel Deutschland, Vodafone, etc.) haben in der Region keine eigenen Kabel verlegt.

Matthias wollte gern zu 1und1 gehen und am Anfang sah auch alles gut aus. Die Webseite bescheinigte, dass DSL 16.000 möglich sei. Nach der Bestellung vergingen einige Tage, dann kam von 1und1 die Rückmeldung, dass leider doch kein DSL 16.000 möglich sei. Man könne nur 2.000er DSL schalten und dies ginge auch nur auf der Grundlage eines Telekom-Basis-Anschlusses. Im Klartext wurde meinem Freund also vorgeschlagen, er solle sich für 20 Euro im Monat einen Anschluss bei der Telekom holen und über diesen könnte 1und1 dann für noch mal 20 Euro monatlich DSL 2.000 zur Verfügung stellen.

Ich hakte bei 1und1 und bei der Telekom nach. Ein T-Com Mitarbeiter erklärte mir den Sachverhalt dann am Ende so: Auf der letzten Meile zu Matthias' neuer Wohnung liegt ein recht neues Glasfaserkabel. Dieses Kabel stammt schon aus der Zeit, in der die Telekom kein Monopol mehr hatte. Daher ist der Konzern nicht verpflichtet, die Leitung einfach so für andere Anbieter herzugeben. Technisch wäre dies zwar kein Problem, aber man kann ja mit den eigenen DSL-Leitungen machen, was man will. Uns wurde das Angebot unterbreitet, doch einen Vertrag bei der Telekom zu machen, da wäre DSL 6.000 möglich.

Ihr dürft drei Mal raten, wie die Geschichte ausgegangen ist. Matthias ist jetzt Telekomkunde, weil ihm ja quasi nichts anderes übrig blieb. Wir hatten danach noch versucht einen DSL-Anschluss über Congstar zu buchen, weil wir dachten, die hätten als direkte Telekomtochter vielleicht mehr Spielraum - da kam aber dann die gleiche Antwort zurück, wie von 1und1.

Fazit: Wenn die Telekom rumläuft und allen erzählt, jeder Anbieter hätte die gleichen Möglichkeiten, ist dies schlechtweg eine Lüge. Es gibt Orte, an denen man nur DSL bekommt, wenn man bei der Telekom zumindest einen Basis-Anschluss bestellt. Und wenn man sich für einen anderen Provider entscheidet, gibt die Telekom dann aber auch nur eine geringere Bandbreite frei.

Ich frage mich, wie viele Leute wohl Telekomkunden sind, ohne dass sie es eigentlich sein wollen. Außerdem ist bemerkenswert, dass die Telekom ja immer argumentiert, sie bräuchten das Geld für den Netzausbau. Offenbar bauen die ihr Netz ja dann nur für sich selbst aus, wenn sie nicht bereit sind, ihre Glasfaser-Leitungen zu vermieten.
Grüße an Matthias.

Geschnatter

2 Kommentare, selbst mitschnattern << < Seite 1/1 > >>
Martin, am 12.06.2013 um 09:54 Uhr
Geht mir übrigens ähnlich. Morgen sind 7 (!) Wochen seit meiner Order bei 1&1 vergangen. Bisher kein DSL da "Leitungsmangel". Nach mehreren Anrufen bei der Telekom, sagte mir dann ein Mitarbeiter, dass der Telekom die Leitungen gehören und sie vermieten, an wen sie wollen. Ich habe dem Mitarbeiter dann gesagt, dass die Telekom ja somit ein Monopol hat. Das verneinte er aber...
Wenn man ein bisschen googlen, scheint das die Telekom zu dürfen.

Ich musste deshalb gestern bei 1&1 stornieren und versuche es jetzt über Vodafone mit Sofort Surf Option (UMTS).
Momentan Internet nur über USB Tethering mit Modem/ISDN Geschwindigkeit...
Gabi, am 12.06.2013 um 11:28 Uhr
Na, ja ich lese hier fast regelmäßig mit. Ist meist sehr unterhaltsam und lehrreich :-)

Ich habe einen ziemlichen Gerechtigkeitssinn, deshalb stören mich manche pauschale Aussagen.

Sagen wir mal, Du hast mit Deinem Kumpel zusammen eine Firma gegründet. Ihr schafft Euch alles gemeinsam an. Es läuft nicht schlecht. Du bist aber mit einigen Dingen nicht so richtig einverstanden und meinst Du könntest es ohne die Bremse von Kumpel viel besser. (nur mal so um die Geschichte plastischer zu machen)
Ihr teilt Eure Firma. Du kriegst das Geschäftsfeld, er dieses. Ihr teilt weiter, trennt Euch. Du kriegst einen Teil der Ausstattung und der Kunden. Er, nun mit eigener neuer Firma den anderen Teil.
Du machst natürlich weitere Anschaffungen. (So wie er) Und dann kommt er, der blöde Hund von ehemaligem Kumpel und meint, deinen neuen Plotter kann er ja wohl mitbenutzen. Schließlich ward ihr ja mal vor langer Zeit ein Team und schließlich habt ihr ja die gleichen Geschäftsinteressen. Also, vermiete ihm das Ding, damit er den Kunden an sich binden kann, statt dass der zu Dir kommt.
Bei einer Freundschaftkiste wohl ok, in der Wirtschaft eben nicht. Ohne die Telekom in Schutz zu nehmen, warum sollte sie das tun?

Antwort: Ich verstehe dein Argument. Erst mal Daumen hoch für dein ausgeprägtes Un-/Rechtsbewusstsein.

Ich gebe dabei aber Folgendes zu bedenken: Die Telekom hatte früher ein Monopol. Die meisten Leitungen, die es gibt, stammen aus dieser Zeit. Somit hatte der Konzern bessere Startvoraussetzungen als die Mitbewerber und es ist aus der Tradition heraus so geblieben, dass es die Telekom ist, die die Netze verwaltet und dass die anderen Anbieter sich bei dem Konzern einmieten.

Nun kann man natürlich argumentieren, dass die anderen DSL-Provider ja auch alle ihre eigenen Leitungen legen könnten, doch das würde dazu führen, dass alles viel teurer werden würde und außerdem würde es in einem ziemlichen Chaos enden, wenn jeder Provider anfängt, die Erde aufzubuddeln und eigene Leitungen zu legen - parallel zu denen der Konkurrenz.

Natürlich ist die Telekom ein gewinnorientiertes Unternehmen, bei dem es in der Natur der Sache liegt, dass es zuerst an sich selbst denkt. Diesbezüglich mache ich der Firma auch keinen Vorwurf. Doch die Telekom ist ein besonderer Fall und in der Situation, in der sie sich befindet, ist das was die Kunden (auch die anderer Provider) von ihr erwarten, einfach nur Fairness. Die Telekom verfügt durch die Kontrolle über die Netze über mehr Privilegien als die Mitbewerber. Und viele Beispiele zeigen, dass die Telekom da nicht gerade fair und transparent handelt.

Fairness hört aus meiner Sicht zum Beispiel an folgenden Punkten auf:
  • Wenn man Mitbewerber, die auf die Nutzung der Leitungen angewiesen sind, behindert oder die Bearbeitung ihrer Anfragen bewusst verzögert.
  • Wenn man den Kunden anderer Anbieter, trotz der Tatsache, dass diese sogar schon einen Basisanschluss der Telekom erworben haben, weniger Bandbreite zur Verfügung stellt, als sie als Telekomkunden bekommen würden.
  • Wenn man Volumentarife einführt, von denen sich privilegierte Firmen freikaufen können.
Und in Zukunft, mit dem Ausbau der VDSL2-Netze (Vectoring) wird alles noch komplizierter. Aus meiner Sicht müsste sich in der Unternehmenspolitik der Telekom (und sicherlich auch in der anderer Provider) etwas ändern, damit es zukünftig weniger Streitereien gibt und nicht mehr die Kunden die Leidtragenden sind. Außerdem müssen klarere Regeln her, wer was, wie machen darf (da ist die Bundesnetzagentur gefragt).